Tiroler Tageszeitung
Genialität fast ohne Schatten
Markus Plattner inszeniert „Todtentanz“ an der Geierwally-Freiluftbühne Elbigenalp.
Von Markus Hauser
Elbigenalp – Was muss der Außerferner Künstler Johann Anton Falger (1791–1876) für ein Mensch gewesen sein, dass er noch heute als „Vater des Lechtals“ bekannt ist? So viel an Seligkeit erinnerndes Licht muss wohl auch Schatten geworfen haben. Wenige bis gar keine Schatten gefunden haben die beiden Autoren Bernhard Wolf und Christof Kammerlander im Leben des legendären Malers für ihr Stück „Todtentanz“, das es aktuell auf der Geierwally-Freilichtbühne Elbigenalp unter der Regie von Markus Plattner zu sehen gibt.
Die Schatten in Falgers Leben resultierten weniger aus eigenem Fehlverhalten, sondern wurden von anderen auf ihn geworfen. Es sind historische Fakten aus der Lebensgeschichte des Malers und sein berühmtestes Werk „Todtentanz“, in dem er persönliche Reflexionen zur Thematik der Vergänglichkeit des Lebens verarbeitet hat, welche die Autoren als Stoff herangezogen haben. Zum Inhalt: Eine erfolgreiche Karriere als Lithograph, Maler und Kupferstecher hinter sich, bekannt mit Goethe, Schiller, Beethoven und Maria von Bayern, kehrt Falger nach Elbigenalp zurück, fördert mit seinem Vermögen die Entwicklung des Tales. Fast erblindet, diktiert er dem Studenten Franz sein Testament und lässt dabei sein Leben Revue passieren.
Großartig die Idee, Facetten und Begebenheiten aus Falgers Leben in Bilderrahmen zu stellen. Der Verlust des eigenen Kindes, der Tod des jungen Soldaten, die Erkenntnis, dass man sich mit Geld vom Tod nicht freikaufen kann und vieles mehr, Plattner friert die Bilder ein zu Ikonen wider Fahrlässigkeit und Leichtfertigkeit und beweist sein Gespür für die Aussagekraft des Genrehaften und Zwischentöne. So entsteht atmosphärische Dichte.
Die großartigen Bilder dazu stammen von Ernst Schnöller. Aber Plattner zeigt auch einmal mehr seine Qualitäten in der Menschenführung, wenn die Szenerie alles andere als laut, intimer und leiser werdend, auf das Substantielle im menschlichen Dasein abzielt. Unglaublich berührend die Szenen der Abschiede, des Wiederkommens, des Verlassens für immer.
Bernhard Wolf als junger und Arnold Lorenz als alter Falger sind die subtile Studie eines ganzen Menschenschicksals. Ossi Hauser in der Rolle des Malers Karl Selb gibt sich als gestandener Außerferner, der das Leben nimmt, wie es kommt. Herrlich Thomas Kramer als Alois Senefelder, total überdreht, ein Zappelphilipp voll genialer Ideen, nicht von dieser Welt. Berührend durch und durch, Theresa Perl, in der Rolle der allesgeliebten Frau von Falger. Herzhaft resolut, Michaela Togan als Mutter von Theresa. Lähmend kalt, der omnipräsente, von Philip Greif verkörperte Tod.
Ganz ohne Abstriche eine kollektive Meisterleistung, wie die an große Filmmusik erinnernden Klänge von 2erBeziehung. Wenn zum großen Finale die restlichen Figuren aus Falgers „Todtentanz“ zum letzten Tanz bitten, so mag das gar theatralisch wirken.
Aber Hand aufs Herz: Jede vermeintliche Übertreibung auf der Bühne ist ein Kindergeburtstag im Vergleich zum Weltgeschehen.
Allgäuer Zeitung (07.07.2015)
Lebendiger „Todtentanz“ bei der Geierwally
Premiere Stück um den Universalgelehrten Johann Anton Falger, kommt beim Publikum in Elbigenalp sehr gut an
Von Anton Reichart
Elbigenalp/Lechtal: Unnötige Sorgen hat sich Bernhard Wolf wegen des Titels „Todtentanz“ gemacht. Bei der rauschenden Premiere der Geierwally-Freilichtspiele in der wettersicher gemachten Bernhardstalschlucht bewies das Publikum beim Schlussapplaus im Stehen: Die Lechtal-Historie und deren Protagonist Johann Anton Falger waren eine beeindruckende Geschichtsstunde. Und dies in unterhaltsamer Aufmachung. Sprache und Szenen sprangen aus den überlebensgroßen Bilderrahmen nur so heraus.
Auch wer sich mit dem Falger des mittleren 19. Jahrhunderts und seinen vielfältigen Fähigkeiten und Bestätigungen noch nicht näher beschäftigt hatte, wurde durch die Chroreinblendungen kurz und prägnant informiert. Davon konnten sich die illustren Festgäste selbst überzeugen. Neben Nationalrätin Elisabeth Pfurtscheller, Kulturlandesrätin (Ministerin) Dr. Beate Palfrader, etlichen Bürgermeistern und weiteren Kommunalpolitikern wurden auch lokale und regionale Wirtschaftsgranden von der „Duarfer Musig“, der Elbigenalper Musikkapelle unter ihrer so charmanten wie zielstrebigen Kapellmeisterin Lydia Huber vor und auf der Bühne empfangen.
Eine ganz besondere Beziehung zum Lechtal hat der Füssener Bürgermeister Paul Jakob, der mit Frau Iris gekommen war. „Seine“ Füssener Schatzkammer korrespondiert mit der am Premierentag eröffneten „Wunderkammer“ in Elbigenalp, die beide durch den Lech verbunden sind. Jakob zeigte sich besonders berührt durch emotionale Detailgesten der Akteure. Choreographie wie auch die Regie des durch die Festspiele in Erl bekannten Markus Plattner erläuerten, wie sich Falger in seiner Bildserie „Todtentanz“ mit dem Endlichsein des Lebens auseinandersetzte.
Koautor und Komponist Christof Kammerlander nutzte diese Doppelfunktion und brachte Musik und Schaulspiel exakt zusammen. Und sowohl die atemberaubende Felswand als auch der im Hintergrund rauschende Bernharsbach untermalten die Szenerie in unvergleichlicher Art. Wolf (als der junge Falger) scheute sich auch nicht, niedere Instinkte anzusprechen. Er stellte menschliche Feinfühligkeit gegen heroisierendes Sterben in (Freiheits-Kriegen) heraus, obwohl er dadurch zunächst von der Gesellschaft angefeinet wurde.
Zum Schluss der umjubelten Premiere trafen die Ur-Ur-Enkelin und ihre Tochter ihren jungen Vorfahren Falger in Person von Bernhard Wolf. So ein Sprung in der Zeit geht nur in der Bernhardschlucht: Helga Christmann, eine geborene Falger zog im Kindesalter mit ihrer Wiener Mutter (Falgers Ur-Ur-Ur- Enkelin) Andrea Glaser aus Germaringen hatte die geschichtsbewusste Mutter zur Premiere begleitet. Dabei entstand das denkwürdige Foto von Falger mit seinen Nachfolgerinnen in der Ahnentafel.